So funktioniert ein Wohnzimmerkonzert // Kultur erleben

16.1.19

Kyle Woolard beim dritten Wohnzimmerkonzert von Lisa und Jürgen

Auf dem Sofa sitzen, ein kühles Getränk in der Hand und dennoch eine Musikerin oder einen Musiker in der ersten Reihe hautnah erleben - das klingt zu schön um wahr zu sein, aber es geht wirklich, und zwar bei einem Wohnzimmerkonzert!

Anstatt in die großen Locations der Stadt zu gehen, um diesen einen besonderen Moment, wenn die gespielte Musik dich im Herzen berührt, mit hunderten Anderen zu teilen, kann man auch einfach im heimischen Wohnzimmer (oder dem von Freunden) bleiben und eine besondere Atmosphäre genießen. Dafür müssen im Vorfeld aber ein paar Dinge beachtet und arrangiert werden. Welche das sind, habe ich Lisa und Jürgen gefragt, die schon drei Wohnzimmerkonzerte in ihrer Oldenburger Wohnung ausgerichtet haben.

Hat ein fantastisches zweites Konzert gegeben: Matt Brown aus Nashville

Ich selbst habe bei Lisa und Jürgen zwei der drei Wohnzimmerkonzerte besucht und fand es so schön, dass ich unbedingt darüber berichten wollte. Und auch den Sänger Kyle Woolard der Band "The Anatomy of Frank" habe ich nach dem letzten Konzert interviewt.

Er war total sympathisch und erzählte mir, dass er "houseconcerts", wie sie in den USA heißen, viel lieber in Europa spielt, weil da die Zuhörer/innen sehr aufmerksam der Musik lauschen würden. Bei seinen Auftritten liebe er es, sein Publikum kennenzulernen und eine echte Verbindung herzustellen. Aber es sei auch eine Herausforderung, ohne seine Bandkollegen die Bühne ganz alleine zu rocken. Doch das hatte er an diesem Abend definitiv geschafft!


Wiederholungstäter (v. links): Jürgen, Kyle Woolard, Lisa und ich
Vor Kyle Woolard standen schon Matt Brown und Jared Kolesar ("Jared & the Mill") in Lisas und Jürgens Wohnzimmer an der Gitarre. Alle drei Künstler stammen aus den USA. Hmmm..., wieso kommen diese amerikanischen Sänger eigentlich in unser kleines Oldenburg?

Lisa klärt mich auf: "Mit Jared sind wir befreundet seit wir ihn vor Jahren auf dem Rock Boat, einem Festival auf einem Schiff in den USA, kennengelernt haben. Als er dann mit seiner Band durch Großbritannien tourte, fragte er uns, ob er uns besuchen und ein Wohnzimmerkonzert geben könne. Wir sagten natürlich sofort zu." Achso! Und über Jared (und noch weitere Besuche auf dem "Rock Boat") entstanden auch die Kontakte zu den anderen beiden Künstlern, wie Lisa weiter erklärt.

Da das erste Wohnzimmerkonzert bei ihren Gästen so gut ankam, beschlossen Lisa und Jürgen noch weitere zu veranstalten. "Es macht uns einfach Spaß die Künstler kennenzulernen und einen schönen Abend mit Freunden zu haben." Mittlerweile planen sie sogar, Freunde, die nicht in Oldenburg wohnen, mit ihrer Begeisterung anzustecken, so dass ein gebuchter Musiker eine kleine Wohnzimmerkonztertour durch verschiedene deutsche Städte machen kann. "Aber das ist erstmal nur so eine Idee!", sagt Lisa und lacht.

Wer als nächstes hier bei Lisa und Jürgen ein Wohnzimmerkonzert geben wird, steht noch in den Sternen. Aber wie ich finde, ist gerade dieser Spontanitätsfaktor spannend. Denn man kennt bei einer Einladung zum Wohnzimmerkonzert (meist) weder die Musikerin/den Musiker im Vorhinein, noch weiß man, welche Gäste kommen. Nur eins ist sicher: es wird ein toller Abend werden!


Machte den Anfang in Lisas und Jürgens vorheriger Wohnung: Jared Kolesar aus Phoenix

Und wenn ihr auch einmal so einen tollen Abend erleben möchtet, aber nicht erst darauf warten, dass euch jemand dazu einlädt, habe ich im Folgenden ein paar wichtige Punkte für euer eigenes Wohnzimmerkonzert zusammengefasst:

 
Das Wohnzimmer

Euer Wohnzimmer sollte nicht zu klein sein und auf jeden Fall Platz für die Sängerin oder den Sänger (oder die Band) - inklusive Bewegungsfreiheit - und für die Gäste bieten. Auf dem Boden sitzen ist übrigens vollkommen okay. Genug Kissen hat sicher jeder im Haus.

Wichtig sind aber auch tolerante Nachbarn, da Livemusik und der dazugehörige Applaus sehr laut werden können. Also bezieht eure Nachbarn unbedingt in eure Pläne mit ein und warnt sie freundlich vor (oder ladet sie am besten ein). In jedem Fall solltet ihr euch an die gesetzlichen Ruhezeiten halten (also zumindest das Konzert um 22 Uhr beenden).

Die Musikrichtung

Welche Art von Songs gespielt werden soll, bestimmt natürlich euer eigener Geschmack, aber akustische Musik oder zumindest solche, die ohne großes Equipment auskommt, eignet sich natürlich am Besten. Instrumente bringen die Künstler meist selbst mit, aber wenn ihr musikalisches Zubehör in der Wohnung habt, könnt ihr das der-/demjenigen vorher vielleicht mitteilen.
 
Kyle von "The Anatomy of Frank" in seinem Element

Die Gäste

Ihr solltet eure Gäste schon mehr oder minder gut kennen oder zumindest darin vertrauen, dass sie sich zu benehmen wissen. Übermäßiger Alkoholkonsum ist beim Wohnzimmerkonzert genauso fehl am Platz wie unnötige Zwischenrufe in Richtung "Bühne".

Damit alle gut versorgt sind, bietet es sich an, ein Essens- und Getränke-Buffet aufzubauen. Bittet eure Gäste schon gleich mit der Einladung, einen kleinen Teil dazu beizutragen. So habt ihr selbst nicht so viel Arbeit (und so viele Ausgaben). 

Die Gäste sollten außerdem wissen, dass es sich bei einem Wohnzimmerkonzert um ein "Hutkonzert" handelt und die Sängerin oder der Sänger am Ende des Abends eine kleine Belohnung erhält. Wie viel man in den Hut wirft, bleibt zwar jedem selbst überlassen, aber da es keine Gage oder ähnliches gibt, sollte man den Auftritt wirklich honorieren.

Der Beginn einer schönen Tradition: Jared brachte Lisa und Jürgen auf die Idee

Die Künstlerin/der Künstler

Stellt einen Kontakt zu der Person her, die bei euch auftreten soll. Also schreibt sie z.B. über Social Media-Kanäle an. Im Vorfeld sollte alles rund um den Auftritt genau besprochen werden (z.B. müsst ihr sie/ihn vom Bahnhof abholen, etc.). Wenn die Sänger von weiter weg kommen (wie es bei Lisa und Jürgen der Fall war), bietet ihnen einen Übernachtungsplatz und Verpflegung an! Und lasst sie vor dem Auftritt ungestört alles aufbauen und testen (noch bevor die Gäste eintrudeln)!

Nach den Konzerten suche ich die Künstler sofort bei Youtube und höre mir die guten Songs immer wieder und wieder an (auch wenn sie live noch schöner klingen)

Ich hoffe, dass ich nichts Wichtiges vergessen habe und eurem Wohnzimmerkonzert nun nichts mehr im Wege steht! Probiert es einfach aus! Ich drücke euch die Daumen, eine/n passende/n Musiker/in zu finden und ladet mich, wenn es so weit ist, unbedingt ein ;)

Bis es weitergeht, schwelge ich noch in Erinnerungen an das letzte Wohnzimmerkonzert und höre mein Lieblingslied von Kyle/"The Anatomy of Frank": "La Llorona" (oder mein zweites Lieblingslied: "The girl vom Ipanema").

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