Wie Reisen den Blick auf Zuhause verändert // Gastbeitrag
2.10.19Doppelter Tapetenwechsel - Ein Gastbeitrag und wie Reisen den Blick auf Zuhause verändert
von Anja SeemannManchmal ruft die Ferne.
Der Wunsch,
bekannte Herzmenschen zu sehen wird groß. Die Freude am Fremden und Neuen und
dem Ungeplanten. Dann hole ich den Koffer vom Spitzboden der Hundehütte und
packe nur das Nötigste
ein, naja, fast.
In
den Wochen rund um den Urlaub beschäftige ich mich nicht nur mit dem Ort, der
das Fernweh stillt, sondern auch mit meinem Zuhause und das ist Oldenburg, mein Hafen.
Wie hinterlasse
ich die Wohnung, in dem Wissen darüber, wie sehr ich mich auch immer freue nach
Hause zu kommen. Nach Hause kommen. Allein für das Gefühl lohnt es sich für
mich auch immer wegzugehen.
Wer kümmert sich
um die Pflanzen, holt die Post rein und lüftet mal durch? Ich bin froh, dass in
der Nachbarschaft wunderbare Menschen leben und wir uns gegenseitig helfen.
Dieses Vertrauen und das Menschliche – das ist eben nicht nur dort kostbar,
wohin wir auch fahren.
Wann ist mir
diese Erkenntnis besonders bewusst geworden?
Als ich 2011 mein
Einzimmerappartement für den Zwischenmieter räumte, um ein Semester in Amerika
zu studieren, gab das Tränen. Ganz viele. Am Ende die Wohnung so leer zu sehen
und zu wissen, dass all das Liebgewonnene
mit all den Menschen, die dort auch ein- und ausgegangen sind, für eine Weile
nicht da sein würden: Die leere Wohnung war das Sinnbild für den Fortgang und
das musste ich erst einmal verarbeiten. Und das habe ich. Im Herzen immer die
Lust und die große Vorfreude. Und auch das Wissen darüber, dass man wieder nach
Hause kommt.
Abstand zu
gewinnen sowohl vom Alltag als auch räumlich tut gut und ich merke immer, wie
es gleichermaßen die Chance bietet, Altes und Vertrautes infrage zu stellen,
aber auch festzustellen, wie zufrieden und glücklich ich bin. Das ist wunderbar
und funktioniert bei mir tatsächlich außerhalb der vier Wände, außerhalb
der Stadt.
Auch für mich zum
Ritual geworden in den vergangenen Jahren: Den Urlaub zu Fuß zu starten mit
einem Spaziergang zum Bahnhof. So manches Mal war es früh, wenn die
Kofferrollen über den Asphalt wanderten und ich Sorge hatte, meine Mitmenschen
zu wecken und so auch teils umständlich mein Gepäck trug.
Ja, es wäre natürlich
auch möglich mit dem Bus, Taxi (ist mir zu teuer) und mit dem Rad zu fahren. Aber
(Wahl-) Oldenburger/innen wissen, dass man sein Rad durchaus schützen muss. Ich
hänge an meinem Rad, es heißt „Speedo“, benannt nach einem Song meiner
Lieblingsband Mia., und laufe daher lieber. Das Gehen brauche ich auch.
Irgendwie. Mit den Augen des Vertrauten noch einmal mit allen Sinnen unsere
Stadt wahrnehmen – das ist für mich auch Teil des Tschüss-Sagens.
Egal ob ein
Wochenende woanders, der Besuch bei Familie und Freunden, eine Fernreise oder
gar eine Zeit im Ausland leben — meine Konstante ist geblieben.
Und immer wieder
aufs Neue verlasse ich, entdecke, komme wieder und verliebe ich mich in dich,
OLDENBURG.
Fotos: 1. free photo (pexels.com), 2. und 3. © Anja Seemann
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